Die Biokraftstoffbranche steht vor neuen Herausforderungen
Expertenseminar der AGQM und der UFOP zu Konsequenzen der Steuerpolitik, der Biokraftstoffquoten und der neuen Nachhaltigkeitsregeln
Die massiven Auswirkungen der Gesetzgebung auf die Entwicklung des Biokraftstoffmarktes haben die deutschen Biodiesel- und Pflanzenölhersteller in den letzten Monaten deutlich zu spüren bekommen. Der Markt für reinen Biodiesel ist durch eine verfehlte Steuerpolitik zusammengebrochen und in Kürze dürfte der Bundestag die Senkung der Biokraftstoffquoten endgültig beschließen. Doch damit nicht genug. Mit dem Inkrafttreten der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EER) und den Vorbereitungen zu den beiden deutschen Nachhaltigkeitsverordnungen für Biomassestrom (BioSt-NachV) und Biokraftstoffe (Biokraft-NachV) steht die Biokraftstoffbranche vor neuen, erheblichen Herausforderungen. Um die Konsequenzen aus dieser steuerlichen und ordnungspolitischen Gesetzgebung zu erörtern, trafen sich am 15. und 16. Juni 2009 Vertreter der Biodiesel- und Pflanzenölproduzenten mit ihren vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbeteiligten zu einem Fachseminar in Berlin. Eingeladen hatten dazu die Arbeitsgemeinschaft Qualitätsmanagement Biodiesel e. V. (AGQM) und die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e. V. (UFOP).
Ralf Nimmergut stellte für das Bundesministerium der Finanzen (BMF) verschiedene Bereiche der aktuellen Gesetzgebung dar. Dazu zählen insbesondere die Bestimmungen des für Mitte Juni erwarteten „Gesetzes zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen“, das durch eine reduzierte Gesamtquote einen wesentlichen Hebel zum Inverkehrbringen von reinem Biodiesel (B100) abschafft. Daneben stellte er die Durchführungsbestimmungen zum Biokraftstoffquotengesetz mit den relevanten steuerlichen Regelungen sowie die geplante Biomassenachhaltigkeitsverordnung für Biokraftstoffe vor.
Für die EU-Kommission legte Alexandra Langenheld (DG TREN, Generalkommission Transport und Energie) Status quo und Hintergründe der europäischen Nachhaltigkeitsdebatte dar. Von besonderem Interesse für die Teilnehmer war dabei die Diskussion über die in Bearbeitung befindliche inhaltliche Ausgestaltung der Richtlinie und die diffizile Umsetzung in nationales Recht.
In Bezug auf die Nachhaltigkeitsverordnung, die bereits zum 1. Januar 2010 gelten soll, zeigte sich deutlich, dass wesentliche Bestandteile noch nicht definiert werden können, weil die entsprechende Festlegung in der EER fehlt. Hinzu kommt, dass die in der Verordnung enthaltenen Forderungen bis zum genannten Stichtag schlichtweg nicht erfüllbar sind. Weitergehende Ausführungen zur geplanten Einführung segmentierter Standard-Werte für die Treibhausgasemissionen in den einzelnen Biokraftstoff-Produktionsketten, die im Übrigen sehr wahrscheinlich nicht konform mit der EER sind, zeigten den Teilnehmern, dass Bestrebungen auf nationaler Ebene bestehen, die Anforderungen der Nachhaltigkeitsverordnung zukünftig noch weiter zu verschärfen.
Untrennbar mit dem Thema Nachhaltigkeit ist die zukünftige Zertifizierung von Biokraftstoffen verbunden. Über den aktuellen Stand des entsprechenden BMELV/FNR-Pilotprojektes berichtete Dr. Norbert Schmitz (www.iscc-project.org). Neben einer Darstellung der Zwischenergebnisse nutzte Dr. Schmitz das Fachseminar zu einem intensiven Dialog mit den Teilnehmern über offene praktische Fragen für die Implementierung des internationalen Zertifizierungssystems.
Insgesamt zeigte sich, dass die Vorreiterrolle Deutschlands bei der Einführung der Nachhaltigkeitsverordnungen in der praktischen Umsetzung eine Vielzahl ungeklärter Fragen für die Wirtschaftsbeteiligten birgt. Als unbefriedigend wurde von Referenten wie Teilnehmern empfunden, dass wesentliche Fragestellungen in den deutschen Verordnungen noch geklärt und auf EU-Ebene abgestimmt werden müssen, so dass eine inhaltliche Diskussion hinsichtlich der konkreten Umsetzung derzeit stellenweise noch nicht möglich ist.
Als wesentliches Ergebnis des Expertenseminars konnten zahlreiche Fragen und Anregungen formuliert werden, die im Anschluss an die beteiligten Ressorts gerichtet werden. Die Vertreter der Biodieselbranche sowie die Fachverbände AGQM und UFOP waren sich zum Abschluss einig darin, den Gesetzgebungs- und Umsetzungsprozess weiterhin konstruktiv, aber auch kritisch zu begleiten. AGQM und UFOP kündigten daher bereits ein weiteres Expertenseminar an, um die Information der Produzenten und die Rückmeldung an die beteiligten Ressorts intensiv fortzusetzen.